TONI IN IRLAND
Abschied und Highlights
Die letzte Woche ist nun vorbei und für mich heißt es Abschied nehmen. Abschied von der Bibliothek, meinen Kollegen und den gemeinsamen Teepausen. Aber nicht nur dazu muss ich "Good Bye" sagen. Auch zu der Pubkultur, der ständigen Musik auf den Straßen und in Lokalen, dem Spaziergang entlang der Promenade und natürlich den Menschen, die ich hier kennen gelernt habe.
Als ich mich vor fast genau einem Jahr für ein Praktikum in Irland beworben habe, hätte ich niemals gedacht, dass es so schön werden kann. Da Galway eine Studentenstadt ist (25% der Einwohner), ist es relativ einfach gleichaltrige zu finden. Mit ihnen einfach so ins Gespräch zu kommen hingehen nicht so sehr. Deshalb bin ich zu Beginn meines Aufenthalts zu verschiedenen Veranstaltungen von der Erasmusgruppe der Universität gegangen, wenn sie außerhalb des Campus stattfand. Viele junge Menschen auf der ganzen Welt suchen sich die Stadt aus, um zu studieren. Ich denke deshalb war es dann schlussendlich auch so einfach ins Gespräch zu kommen: wir waren alle neu und fremd in diesem Land. Wir haben angefangen uns nochmal zu treffen und es gab fast immer jemanden, der jemanden mitgebracht hat. Und dann hat man sich mit denen getroffen und dann hat wieder jemand jemanden mitgebracht... Ein endloser Kreislauf und am Ende konnte ich nie sagen wann ich wen kennengelernt habe.
Warum es wahrscheinlich auch so einfach ist hier Kontakte zu knüpfen ist, dass es nicht viel Auswahl an Aktivitäten gibt. Die Stadt ist klein, hat manchmal Dorf ähnliche Züge, und wenn das Wetter schlecht ist (heißt fast immer), bleibt einem nichts anderes übrig, als entweder Zuhause zu vereinsamen oder sich in einem Lokal zu treffen. Die Shoppingmöglichkeiten sind auch relativ begrenzt und die Außenbereiche von Pubs sind überdacht und werden beheizt. Und die Musik nicht zu vergessen! Es gab immer eine ausgelassene Stimmung und man traf auf Menschen allen Alters.
Falls jemand nach einer Empfehlung sucht: O'Connors's Famous Pub in Salthill (Ed Sheeran hat dort sogar einen Teil seines Musikvideos von "Galway Girl" aufgenommen, ca. bei Minute 2 zu sehen), das Quays in der Shopstreet und der Biergarten vom Carroll's in der Dominick Street sind meine absoluten Lieblinge!
Auch die Arbeit in der Bibliothek hat mich positiv überrascht. Nachdem mir mein erstes Praktikum in einem Archiv in Berlin nicht so sehr gefallen hat, hatte ich schon ein bisschen Angst, dass ich mich drei Monate nur zur Arbeit schleppen muss. Stattdessen hat mich ein wundervolles Team erwartet, das mir nicht nur den irischen Arbeitsalltag näher gebracht hat, sondern mir auch unmengen an Tipps für meine Freizeit gegeben hat. Meine Lieblingsmomente fanden bei den Teepausen vor Öffnung der Bibliothek statt. Denn wenn eins nicht erwünscht war, dann war es über die Arbeit zu sprechen. Gespräche über die neugeborene Enkelin in Spanien, Besuche vom Bruder aus einem anderen County und Freizeitaktivitäten am Wochenende waren deshalb an der Tagesordnung.
Weil es keinen festen Dienstplan gibt, mussten wir uns am Mittag absprechen, wer wann seine Pause machen kann. Dabei haben sich besonders unsere zwei Vorgesetzten immer erkundigt wie es einem geht, wer eine Pause braucht und ob man seinen Tee schon getrunkten hat (wenn nicht wurde man sofort in die Küche geschubst). Die gesamte Arbeitsatmosphäre war super entspannt und familiär.
Aber auch die Nutzer sind mit denen aus Berlin nicht zu vergleichen. Zwar gibt es immer ein paar schwarze Schafe (Menschen die ohne Worte ihre Bücher vor einen hinlegen, laut in der Bibliothek telefoniern, "dieses System ist nutzlos" schimpften, etc. (diese Liste könnte man ins Enendliche fortsetzen, aber ihr kennt unsere typischen Lieblingsnutzer zur genüge)), aber im Grunde hatte ich eine super Erfahrung mit den Iren gemacht. Freundlich, begrüßen einen, verabschieden sich, bedanken sich tausendmal, fangen belangslose Gespräche an. Die Kollegen, die hier schon seit Jahrzehnten arbeiten, kennen die meisten Besucher auch schon lange und fragen dann nach den Kindern, der Gesundheit, Arbeit, etc.. Nicht selten wurde ich ihnen vorgestellt. Besonders einprägsam für mich war die Begegnung mit einem Nutzer, dem ich geholfen hatte, sich bei den digitalen Angeboten anzumelden. Aus dem nichts hatte er mich gefragt, ob ich U2 kenne. Wegen des starken Akzents hatte ich es nicht verstanden und ihn gebeten das zu wiederholen. Doch auch beim zweiten Mal hatte ich keinen blassen Schimmer was er meinte. Ich war kurz davor zu fragen "Meinen Sie Youtube?", als meine Kollegen interveniert ist und mich als die deutsche Praktikantin vorgestellt hatte. Sie hatte mir erklärt, dass er mich nach der Band U2 gefragt hatte, weil er ein e-Book dazu gelesen hatte. Die Band kommt nämlich aus Irland und die Iren sind unfassbar stolz darauf. Dass ich damit nichts anfangen konnte, endete damit, dass ich mir in meiner Pause ihre Alben anhören musste. Meine Kollegin hat sich auch wieder beruhigt, als ich ein paar der Lieder wieder erkannt hatte.
Solche und andere Gespräche finden täglich statt und ich habe mich so sehr an die Redseligkeit der Iren gewöhnt, dass ich mich manchmal selbst dabei erwischt habe einfach Fremde auf der Straße anzuquatschen. Ob es Musiker von Pubs sind, die ich wieder erkannt habe oder weil mir die Frisur von Jemanden gefallen hatte, spielte dabei keine Rolle.
Es ist aber nicht nur die Redselligkeit, die mir besonders aufgefallen ist. Auch die Hilfsbereitschaft und Gastfreundlichkeit der Iren hat mich überrascht. Die Frage an der Bushaltestelle wann der nächste Bus kommt kann auch damit enden, dass man eine Tour durch die Stadt angeboten bekommt. Oder "Hey, du sprichst deutsch, bin vorhin in Galway angekommen. Kann ich mich euch anschließen?" (das war nicht ich) kann damit enden, dass man kostenlos an einem Drink and Draw teilnehmen kann.
Die bloße Erwähnung, dass meine Geschwister und ich uns immer gestritten haben, wer den Weihnachtsstern befestigen darf, hat dazu geführt, dass meine Kollegin dafür gesorgt hat, dass ich das ganz offiziell dieses Jahr in der Westside Library machen durfte, während uns eine andere Kollegin wie eine Cheerleaderin angefeuert hat.
Bei unserer Betriebsfeier hat meine Kollegin dafür gesorgt, dass ich abends sicher nach Hause kam und mir vorher eine Lektion in "Apple Cider" gegeben. Es war eine lustige Situation, als ich meinte, dass ich keinen Unterschied schmeckte und die Bartenderin, die an uns vorbeigelaufen ist, empört stehen geblieben ist und mir die Unterschiede haargenau erklärt hat.
Und wenn ich nach der Arbeit nach Hause kam, hat mich der 12-jährige Sohn meiner Vermieterin immer gefragt, wie es mir ginge, wie die Arbeit war und ob es viel zu tun gab. (Das macht nicht einmal mein eigener Bruder)
Ich könnte ewig so weiter machen, aber ich glaube, dass das jetzt ein Ende finden muss, genauso wie mein Praktikum. Ich werde aber noch eine Woche länger bleiben und meinen Urlaub hier genießen.
Vielen Dank, dass ihr an meiner kleinen Reise teilgenommen habt. Ich habe mich wirklich über jede Nachricht gefreut! Ob es auf Instagram, per WhatsApp oder Email war.
See you soon und bis bald in Berlin!
Antonia